Newsletter 12/2023: 1x1 der Fachbegriffe - Systemisches Konsensieren

Systemisches Konsensieren (SK) ist eine Form des Entscheidens. Die Methode der Entscheidungsfindung hat zum Ziel, im Miteinander Lösungen zu finden, die von allen Beteiligten mitgetragen werden. Das gelingt durch eine größtmögliche Annäherung an den Konsens einer Gruppe, was dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Widerstandes entspricht. [1]

 

Jedoch setzt bei den meisten Abstimmungen die Mehrheit ihren Willen durch einen Mehrheitsentscheid durch. [2] Dieses vergleichende Vorgehen resultiert darin, dass die Minderheit (z. B. 49 % der Gruppe) einen Entschluss mitträgt, der ihre Bedürfnisse nicht repräsentiert. Vice versa bestimmt die Mehrheit (z. B. 51 %) über einen Großteil der Gemeinschaft. In diesen Aushandlungsprozessen dominieren meist laute gegenüber leisen Stimmen, Menschen in (scheinbar) höheren Positionen oder diejenigen, die ausreichend Energie zum Diskutieren aufbringen. Mehrheiten sind essenziell für demokratische Strukturen. Doch auf niedrigeren Ebenen wie der Kitagruppe oder dem Familienkreis bietet das SK-Prinzip die Möglichkeit, sich so zu organisieren, dass alle Beteiligten zum Mittelpunkt der Auseinandersetzung werden. So finden die Bedürfnisse aller Beachtung und Anerkennung. Die SK-Haltung respektiert individuelle Einwände und integriert sie im Prozess der Entscheidungsfindung. Alle Optionen, die eine Gruppe betrachtet, werden qualitativ bewertet. Das SK-Prinzip ist also ein messendes Verfahren. [1]

 

Systemisches Konsensieren ist in vielen Bereichen und mit verschiedenen Gruppenkonstellationen einsetzbar, egal ob auf Prozess-, Organisations- oder Inhaltsebene, ob mit Kindern, in Arbeitsteams oder Familien. [1] Im (früh-)kindlichen Bereich werden Kinder und Jugendliche in ihrer Selbstermächtigung und Handlungsfähigkeit gestärkt. In der sozialen Auseinandersetzung lernen sie, aufeinander Rücksicht zu nehmen, Meinungsverschiedenheiten respektvoll zu diskutieren und letztlich trotz Interessenkonflikten/-unterschieden eine gemeinsame Lösung zu gestalten, die die größtmögliche Akzeptanz der Gruppe erhält. [3] Das SK-Verfahren kann für jede Entscheidungsfindung angewendet werden, wo mehrere Optionen zur Auswahl stehen (Phase 3 und 4). [4]

 


 

ABLAUF:

 

1) Entwicklung einer Fragestellung

Die Gruppe möchte eine Entscheidung treffen, die von allen Beteiligten getragen wird. Sie entwickelt eine übergeordnete Frage, die nicht mit “Ja” oder “Nein” zu beantworten ist.

 

2) Kreativphase: Sammeln von Lösungsvorschlägen

In der zweiten Phase werden Lösungsvorschläge bzw. Wünsche gesammelt. Alle Ideen sind willkommen und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die Lösungsvorschläge werden in dieser Phase nicht kommentiert und diskutiert.

 

3) Bewertungsphase

In der Bewertungsphase wird jeder Lösungsvorschlag von jedem Gruppenmitglied mit sogenannten Widerstandspunkten (W-Punkten) bewertet. Null Punkte bedeutet dabei “Kein Widerstand“ bzw. “diese Lösung kann ich mittragen“. Die höchste zu vergebene Punktzahl ist 10 und bedeutet “starker Widerstand“ bzw. “ich lehne diesen Vorschlag entschieden ab“. Die Bewertung wird in einer Tabelle notiert.

Wird das Verfahren mit Kindern durchgeführt, können Gesten statt W-Punkte zur Abstimmung genutzt werden. Dafür hat die Erziehungswissenschaftlerin Adela H. Mahling die Methode des “Igelns” entwickelt. In diesem DKJS-Podcast gibt sie einen Einblick in den für Kinder angepassten Prozess: [5]

 

4) Auswertung

Abschließend werden die von den Beteiligten vergebenen Punkte für jeden Lösungsvorschlag zusammengerechnet. Die Lösung mit der geringsten Punktzahl erfährt in der Gruppe den geringsten Widerstand und ist einem Konsens deshalb am nächsten.

 

 

 

Was sollte beim SK-Verfahren mit Kindern beachtet werden?

Hier sind vier Hinweise:

 

  • Nutzen Sie offene Fragestellungen, um unterschiedliche, kreative Lösungsvorschläge entstehen zu lassen.
  • Es sollte vorab besprochen werden, was passiert, wenn sich die Gruppe nicht einigen kann. Diese Option könnte auch als Lösung in der Bewertungsphase mitbewertet werden.
  • Das “Nein” einer beteiligten Person ist ernst zu nehmen und gilt als kreatives Potenzial.
  • Statt des Igel-Prinzips von Adela H. Mahling [5] können andere spielerische Gesten zur Abstimmung eingesetzt werden, z. B. so:

Hände vor der Brust überkreuzt heißt “Es ist für mich OK.”

Eine Hand nach vorne heißt “Ich lehne diese Idee ab.”

Zwei Hände nach vorne heißt “Ich lehne diese Idee sehr stark ab.

 

Quellen:

 

[1] https://sk-prinzip.eu/

[2] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-in-einfacher-sprache/287721/mehrheit/

[3] https://verein.respekt.net/kinder-in-ihrer-selbstermachtigung-und-handlungsfahigkeit-starken/

[4] https://partizipation.at/methoden/systemisches-konsensieren/

[5] https://www.podcast.de/episode/598638104/folge-14-systemisches-konsensieren-gemeinsam-entscheidungen-mit-allen-treffen