10. Leipziger Frühjahrssymposium
Sprache und Kommunikation
25. Juni 2021
ONLINE FACHTAG
Der Fachtag steht unter der Schirmherrschaft
des Sächsischen Staatsministers für Kultus Christian Piwarz.
Abstracts
Vortrag
Prof. Dr. Jörg Meibauer
Wie Kinder lügen lernen
In diesem Vortrag geht es um den Lügenerwerb von Kindern in der Vorschulzeit, also darum, wie Kinder lügen lernen. Die Beherrschung des Lügens ist eine besondere kognitive Fähigkeit des Menschen. Ausgehend von Überlegungen zur Definition der Lüge wird das zentrale Konzept der Theory of Mind (ToM) erläutert, verstanden als Einsicht des Kindes, dass andere Personen eigene Überzeugungen, Einstellungen und Emotionen haben. Viele experimentelle Untersuchungen haben die Entwicklung der kindlichen ToM erforscht und es wird ein Einblick in diese Forschungsdesigns und ihre Ergebnisse gegeben. Lügen ist auch eine moralische Kategorie und spielt eine wichtige Rolle im Moralerwerb des Kindes. Es ist nicht notwendig schlecht, wie die prosozialen Lügen zeigen. Aber die Abgrenzung zwischen antisozialen und prosozialen Lügen ist schwer, zumal im Input der Kinder unterschiedliche Erfahrungen vorliegen: etwa mit paternalistischen Lügen über Zahnfee und Storch, mit lügnerischen Figuren der Kinderliteratur und mit wahrheitsbezogenen Sprechakten des Witzemachens, der Ironie und des Bullshittens.
Workshops
1) Dr.in Kristin Börjesson
Pragmatikerwerb mit Kinderliteratur unterstützen
Dass das (dialogische) Vorlesen von Kinderliteratur den Spracherwerb bei Kindern in der frühen Kindheit und im Vorschulalter positiv beeinflussen kann, ist mittlerweile vielfach durch entsprechende empirische Studien belegt worden. Im Workshop wollen wir ausloten, inwiefern die Beschäftigung mit Kinderliteratur auch das Potenzial hat, insbesondere den Erwerb pragmatischer Fähigkeiten/Phänomene zu unterstützen. Zu Beginn des Workshops werden wir zunächst rekapitulieren, was eigentlich unter pragmatischen Fähigkeiten/Phänomene im Einzelnen zu fassen ist und welche dieser Fähigkeiten/Phänomene im Kindergartenalter schon/noch erworben werden. Sodann wollen wir der Frage nachgehen, wie Rezeptionssituationen im Kindergarten gestaltet sein sollten, damit sie förderlich auf den Erwerb derartiger pragmatischer Fähigkeiten/Phänomene wirken können. Im dritten Teil des Workshops wenden wir uns dann der Frage zu, welche Arten von Kinderbüchern sich zur Unterstützung des Erwerbs pragmatischer Fähigkeiten/Phänomene besonders eignen. Hierfür wollen wir exemplarisch ausgewählte Kinderbücher hinsichtlich ihrer sprachlichen und grafischen Gestaltung etwas genauer betrachten.
2) Miriam Nadimi Amin
Diversitätssensible Sprache in der Kommunikation mit Familien
Im Workshop beschäftigen wir uns mit der Bedeutung einer diversitätssensiblen Haltung. Dabei überprüfen wir stereotype Bilder und Vorurteile und wie diese sich auf Sprache und Sprachhandlungen auswirken. Wir untersuchen, wo Sprache Macht transportiert und eine gleichwürdige Begegnung mit Familien verhindert. Gleichzeitig werfen wir einen Blick auf die Ansätze der Leichten/ Einfachen Sprache und übertragen diese auf den Kita-Kontext, um Familien gleichwertige Zugänge zu ermöglichen und ihre Teilhabe und Wirksamkeit zu fördern.
3) Dr. Elisabeth Wildegger-Lack
Förderung der kindlichen Sprachkompetenz im Rollenspiel
Das soziale Rollenspiel ist die bevorzugte Spielform der Kinder zwischen drei und sechs Jahren. In diesem Alter lieben es die Kinder die Realität in verschiedenen Rollen nachzuspielen. Der zentrale Handlungsgegenstand ist dabei das Gespräch der Spielpartner untereinander.
Sowohl Rollenspiele mit Verkleiden sind für die Kinder in diesem Alter besonders interessant, als auch das Agieren mit verschiedenen Spielfiguren. Immer steht der Dialog zwischen den handelnden Personen im Mittelpunkt des Interesses.
Anhand konkret-praktischer Beispiele gewinnen die Fachkräfte einen Einblick und neue Spielideen, wie die Sprachkompetenz im kindlichen Rollenspiel auf sinnvolle Art und Weise alltagsintegriert begleitet und gefördert werden kann.
4) Dr.in Christiane Hofbauer
Gute Sprache - schlechte Sprache?
Dialekt, Umgangssprache, Bildungssprache, lange Sätze oder kurze Äußerungen ... Klar ist, dass pädagogische Fachkräfte Kindern in der Kita ein gutes sprachliches Vorbild sein sollten. Aber was ist denn eigentlich "gute" Sprache? Und warum verwenden wir überhaupt so viele unterschiedliche Varianten von Sprache? Darüber soll im Workshop referiert und diskutiert werden.
5) Dr. Benjamin Jakob Uhl
Literalität und Liberalität in der Kita -
Erzählfähigkeiten mit textlosen Bilderbüchern fördern
In dem Online-Workshop werden wir uns mit sprachlichen Unterstützungshandlungen (Scaffolding) auseinandersetzen, die wichtig zur Förderung von mündlichen Erzählfähigkeiten sind. Aus pragmatischer Sicht bildet das mündliche Erzählen eine wichtige Vorläuferfähigkeit von Schreibfähigkeiten, da Kinder über das Erzählen mehr und mehr lernen können, wie sie eine monologische Sprachhandlung alleine gestalten können.
In dem Seminar lernen die Teilnehmer/-innen, wie sie textlose Bilderbücher einsetzen können, um Erzählfähigkeiten von Kindern einer inklusiven Kindertagesstätte zu fördern. Hierbei schauen wir
sehr detailliert auf Fallbeispiele aus der pädagogischen Praxis und arbeiten theoriegestützt verschiedene Möglichkeiten heraus, wie frühkindliche narrative Fähigkeiten angeregt und unterstützt
werden können. Im Kern steht hierbei unter einer inklusiven Perspektive die Sensibilisierung der Teilnehmer/-innen für unterschiedliche Entwicklungsverläufe der Lernenden.
6) Ulrike Kurzawe
Digital im Dialog - Sprachhandeln in der frühen Bildung mit digitalen Medien unterstützen
Schon im Jahr 1969 stellte der Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Paul Watzlawick fest: "Wir können nicht nicht kommunizieren". Überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen, findet Kommunikation statt, ob verbal, nonverbal oder durch bestimmte Verhaltensweisen. Doch wie verändert sich unser Sprachhandeln, wenn die Kommunikation im digitalen Raum stattfindet? Wie können Gespräche und Absprachen mit Eltern gelingen, wenn Sie über E-Mail, Apps und Co. geführt werden? Welche Unterschiede ergeben sich, wenn z.B. Mimik und Gestik in der Kommunikation entfallen und wie kann dem im Kita-Alltag begegnet werden? Wie kann der Kontakt zu Kindern, wenn notwendig digital, gehalten und umgesetzt werden und worauf muss ich achten?
Im Workshop sollen gemeinsam mit den Teilnehmenden Chancen und Herausforderungen digitaler Formate als Kommunikationsform mit Eltern und Kindern erarbeitet und reflektiert werden. Durch den Erfahrungsbericht einer sächsischen Kita, die bereits Erfahrungen mit digitalen Kommunikationsformen sammeln konnte, sollen Praxishinweise und Ideen zur Umsetzung in der eigenen Einrichtung gegeben werden.
Workshop 7 und 8 richten sich vor allem an
SprachheilpädagogInnen/ LogopädInnen/ SprachtherapeutInnen.
Vormittags ohne Wiederholung
7) Susan Schelten-Cornish
Pragmatische Kompetenzen beobachten
Der Beobachtungsbogen für pragmatische Fähigkeiten (BFP) ermöglicht die fundierte Videoanalyse von kurzen kindlichen Interaktionen mit gleichaltrigen oder erwachsenen Bezugsperson. Wir werden anhand des BFP die pragmatischen Fähigkeiten von Kindern und Bezugspersonen strukturiert, kleinschrittig und konkret zusammen analysieren. Dies ermöglicht die spätere Therapieplanung auf der jeweiligen Entwicklungsstufe.
Nachmittags ohne Wiederholung
8) Prof. Dr. Markus Spreer
Pragmatisch-kommunikative Kompetenzen fördern
Der situations- und kontextangemessene Sprachgebrauch in Kommunikation und Interaktion ist das Ziel jeglicher Intervention und Förderung im Bereich Sprache! Nach Achhammer et al. (2016) lässt sich der Auf- und Ausbau entsprechender Kompetenzen in die drei Förder- und Therapiebereiche Kommunikationsverhalten/ Gesprächsführung, Textverarbeitung/ Textproduktion sowie Situations- und Kontextverhalten einteilen. Die dadrin enthaltenen Teilkompetenzen müssen zudem entwicklungsorientiert und mit aufsteigender Komplexität vom interpersonellen Erkennen und Verstehen über das interpersonelle Produzieren und Anwenden bis hin zum flexiblen Einsatz in Realsituationen aufgebaut sein. Im Workshop wird, ausgehend von möglichen Förder-/Therapiezielen, zunächst ein Überblick über die Förder- und Therapiebereiche nach Achhammer et al. (2016) gegeben. Im Anschluss setzen sich die Teilnehmenden mit möglichen Methoden und Übungsformaten für unterschiedliche Altersgruppen auseinander und diskutieren Umsetzungsmöglichkeiten. Materialhinweise ergänzen das Angebot.